Burgenland Burgenland Burgenland Burgenland

Sensorische Weinbeurteilung

WeinanalytikBeschreibung
Sensorische WeinbeurteilungBeschreibung
Eigene UntersuchungsergebnisseBeschreibung
Bewertungen von FachmagazinenBeschreibung

Die sensorische Bewertung der Weine auf geruchliche und geschmackliche Attribute erfolgte im Laufe des Projektes etappenweise nach unterschiedlichem Abfragemodus und verschiedenen Verkostungsformularen mit unterschiedlich umfangreichen sensorischen Beurteilungskriterien. Während die sensorische Beurteilung im BAWB Eisenstadt durch ein spezielles Kosterteam von 6 Personen erfolgte, konnten von Seite der BOKU für die Kostbewertungen Winzer, amtliche Weinkoster, Weinakademiker und Diplomsommeliers motiviert werden.

Alle Verkostungen an der BOKU erfolgten als kommissionelle und verdeckte Verkostungen (Blindverkostungen), die Koster (i.d.R. jeweils über 10) bekamen nur die Information über Sorte und Jahrgang. Abgefragt wurden einerseits die mögliche Herkunft der Trauben bzw. des Weines in Gestalt des politisch festgelegten Weinbaugebietes im Burgenland, der tatsächlichen geologischen (Groß-)Einheit (Ausgangsgestein) und des vermutlich zugrundeliegenden Bodens (gemäß der landläufigen Einstufung in Schiefer-, Kalk-, Lehm-, Löss-, Schotterboden). Andererseits gab es bei der Kostbewertung zahlreiche Deskriptoren zur Charakterisierung des optischen Eindrucks („Auge“), geruchlichen Aromas („Nase“) und Geschmacksbildes („Gaumen“) der Weine mittels fünf- oder zehnstufiger Bewertungsskala zu beantworten. Die Verkostungsformulare waren am BAWB teils ident, teils ähnlich jenen an der BOKU. Die Auswertung erfolgte aber auf verschiedenen Wegen.

Die an der BOKU erzielten Ergebnisse zeigen, dass betriebsspezifisch ausgebaute Weine (mehrheitlich amtlich geprüfte Qualitätsweine mit Prüfnummer) über die abgefragten Jahrgänge (2008-2012) hinweg im Durchschnitt nur zu einem geringem Anteil in korrekter Weise ihrer geografischen Herkunft (einem der vier klassischen Weinbaugebiete im Burgenland) zugeordnet werden konnten. Eine Wechselwirkung zwischen den witterungs- und reifemäßig höchst unterschiedlichen Jahrgängen war nicht gegeben. Die Trefferquote lag in den einzelnen Kostkommissionsmitteln im Bereich zwischen rund 10-50 %. Je kleiner die Kostgruppe war, umso schlechter oder besser fiel die richtige Herkunftszuordnung aus. Bei personell gut bestückten Kostkommissionen (um 20 Personen) nivellierte sich die Ratewahrscheinlichkeit zu einem wenig aussagekräftigen Ergebnis. Beispielhaft sind die Ergebnisse von Weinen des Jahrgangs 2009 über die Abfrage nach ihrer geografischen Herkunft von zwei Kommissionen mit sehr kompetenten Kostern grafisch dargestellt.

Vor allem aus der Reihe der Top-Koster (Sommelier, Weinakademiker) kam wiederholt bei der Nachbesprechung die Aussage, sie hätten sich leichter getan und wären im Ergebnis erfolgreicher gewesen, wenn die betriebsspezifische Herkunft der Weine anstelle der geografischen Örtlichkeit der Traubenherkunft abgefragt worden wäre. In der Tat wurde wiederholt das an einer Betriebsstätte verarbeitete Traubenmaterial von in ihren Naturgegebenheiten völlig unterschiedlichen Standorten (z.T. aus Weinbaugebieten) korrekt einer einzigen betrieblichen Herkunft zugeordnet.

Auch bei der Verkostung der önologisch standardisiert ausgebauten, mikrovinifizierten Weine aus den Referenzparzellen, die überwiegend eine Qualitätswein-Einstufung erhielten, konnten die verschiedenen Kostergruppen an der BOKU keine zufriedenstellende richtige Trefferquote hinsichtlich der Weinbaugebietsherkunft erreichen. Gleichfalls erfolglos war die Abfrage nach der Boden-Herkunft (Schiefer, Kalk u.a.).

Auf eine statistische Verrechnung der deskriptiven Kostbewertungen wurde ganz bewusst verzichtet, nicht zuletzt aufgrund der im Detail sehr genau bekannten Datenlage jeder einzelnen Mikrovinifikation. Sie wäre wissenschaftlich nicht gerechtfertigt und würde möglicherweise den einen oder anderen „statistisch abgesicherten“ (grenzgängigen oder sogar falschen) Nachweis liefern. Dies hat mehrere Gründe. Die unterschiedlichen Möglichkeiten, von Referenzflächen einen Weinausbau im Kleingebinde unter standardisierten Bedingungen durchführen zu können, bedingte eine sehr ungleiche Stichprobenzahl pro geografischer Weinherkunft (Weinbaugebiet). Zwischen und innerhalb der Gebietsabgrenzungen gab es zudem enorme anthropogene Streuungen im Ausgangsmaterial. In den Kostergebnissen konnte eindeutig das große Einflusspotenzial von Seite der Rebenbewässerung, Bodenpflege, Nährstoffversorgung, Rebwurzelausbreitung, Fruchtansatzregulierung, Laubarbeit (Blatt-Frucht-Verhältnis), Rebenvitalität und Ertragsmenge detektiert werden. Weinherkünfte aus unmittelbar benachbarten Weingärten (verschiedener Winzer), einerseits mit optimaler Kultivierung und andererseits von mehrjährig ausgezerrten, gestressten Reben, lieferten beispielsweise ein völlig unterschiedliches Geschmacksbild, obwohl ein und dieselben natürlichen Standortfaktoren vorlagen. Anthropogene Faktoren können demnach die Abgrenzung einer bestimmten regional-typisch nativen geruchlichen und geschmacklichen Ausprägung von Weinen gewaltig störend überlagern.

Unter den Gegebenheiten des Burgenlandes (und auch anderen Gebieten Österreichs, wie mehrjährige eigene Untersuchungen zeigen) ist es gegenwärtig nicht möglich, deskriptive Aromaprofile nur der Geologie eines Gebietes zuzuordnen. Dieser eindimensionale Ansatz würde dem Terroir-Konzept nicht gerecht werden. Ohne multifaktorielle Einbeziehung der anderen natürlichen Standortfaktoren (Boden, Topografie und Witterung) ist eine befriedigende Aussage bzw. Gebietscharakterisierung nicht möglich. Am leichtesten verständlich zu machen ist diese Problematik am Beispiel des Seewinkels. Bei den hier relativ zahlreich vorliegenden A-D-Bodenprofilen (Humushorizont von einer geologischen Gesteinsformation unterlagert, die nicht für die Bodenbildung vor Ort verantwortlich war) muss auf die in weinbaulichen Fachkreisen häufige Verwechslung von Geologie und Boden überhaupt nicht mehr hingewiesen werden. Die lokal sehr engräumig wechselnden verschiedenen Bodenbildungen auf den Terrassenaufschüttungen von so genanntem Seewinkelschotter können bei Verwendung der Bezeichnung Schwarzerdeböden als Bodentypengruppe den schärfenden Blick auf die native lokale Aromatypizität der Weine in einer erweiterten Streuung untergehen lassen. Tschernoseme, Paratschernoseme und trockengefallene Feuchtschwarzerden (alle drei den Schwarzerden zugehörend) haben von Natur aus das Potenzial zu sehr unterschiedlichen Weinen. Ob sich dieses in der Realität aber tatsächlich niederschlägt, hängt in erster Linie vom Rebwurzelsystem, von der Art der Bodenbewirtschaftung, der Intensität der Bodenbeschattung durch die Rebenlaubwand und der (zusätzlichen) Wasserversorgung ab, also von der Hand des Winzers. In diesem pannonischen Trockengebiet kommt der Menge und Verteilung des natürlichen Niederschlags und der ergänzenden künstlichen Tropfbewässerung eine zentrale Bedeutung zu. Seit dem letzten Jahrzehnt werden die Weingärten im Seewinkel relativ intensiv bewässert. Regenmenge und Bewässerungsgabe sind daher bei den Forschungsarbeiten zur Differenzierung und Charakterisierung von Weinherkünften unbedingt in die Auswertungen einzubeziehen, um zu keinen falschen Schlussfolgerungen zu kommen. Leider wird dies auch in der neuen Literatur noch viel zu selten berücksichtigt.
Zusammenfassend darf aus den mehrjährig durchgeführten sensorischen Bewertungen von betriebsspezifisch hergestellten Qualitätsweinen und von bestimmten Referenzweingärten standardisiert im Wege der Mikrovinifikation ausgebauten Versuchsweinen die Schlussfolgerung gezogen werden, dass es unter den Bedingungen des Burgenlandes heutzutage nur in spurenhaften Ansätzen gelingt, native regionaltypische Geschmacksbilder von Weinen abzugrenzen. Die natürlichen Standortgegebenheiten werden maßgeblich von der Handschrift des Winzers im Weingarten und im Weinausbau überlagert. Dennoch lassen sich Weine aus dem Burgenland unter einer gemeinsamen Dacheinheit als eigenständige Herkunft genau charakterisieren und definieren. Regional-, Gebiets- oder Ried-Typizität von Weinen war in früheren Zeiten möglicherweise einfacher zu orten und zu charakterisieren. Die Weingärten wurden jahrhundertelang einheitlich kultiviert. Die sehr engräumige Pflanzung und die niedere Erziehung erforderte nicht nur eine streng rebenphänologiegebundene Laubarbeit sondern zwang auch, den Weingartenboden durch händisches Hacken („Weinhauer“) ganzjährig frei von rebenkonkurrenzierenden Unkräutern zu halten. Den Wetterkapriolen und ihren Folgen war man viel stärker schutzlos ausgeliefert als heute. Karge, seichtgründige, grobanteilreiche Böden brachten demnach im Wein oft ein ganz anderes Leistungs- und Qualitätspotenzial zum Ausdruck als tiefgründige, wasserspeichende, grobanteilarme, fruchtbare Standorte. Die Jahrgangsunterschiede zeigten sich demnach viel stärker in ihrer Ausprägung. Demgegenüber sind im modernen Weinbau von heute die Möglichkeiten für die Winzer ungleich besser vorhanden, situationsangepasst entsprechend den ins Auge gefassten Zielen zu reagieren. Der wissenschaftliche Fortschritt, das bessere Fachwissen und die verfügbaren Hilfsmittel sowie Techniken ermöglicht dies. Gleichzeitig wirken diese Maßnahmen vielfach überregional nivellierend auf die Weintypizität geografischer Herkünft.
› Nach Oben › Zurück
Impressum/Datenschutz Kontakt Sitemap Benutzerhinweise