Ein Blick zurück in die Vergangenheit ist bei der Thematik der Riedenabgrenzung zur Erstinformation und zum besseren Verständnis überaus hilfreich.
Benennungen von Örtlichkeiten in der Landschaft, insbesondere von der in Kultur genommen Fläche, lassen sich in Österreich schon seit dem frühen Mittelalter mit dem Sesshaftwerden der Landbevölkerung nachweisen, primär aus der Zeit, als es galt, größere Landflächen in wertvolle Rebkulturen umzuwandeln.
Als Örtlichkeitsnamen haben sich in Österreich die Begriffe Flur und Ried(e) schon in frühester Zeit im Sprachgebrauch und in den schriftlichen Quellen etabliert. Zwischen diesen beiden Begriffen lässt sich in früheren Jahren keine allgemein gültige genaue Abgrenzung finden. Im Sinne einer etymologischen (dem Ursprung verhafteten) Betrachtungsweise sollte der Begriff Flur jedenfalls jenem der Ried übergeordnet stehen.
Eine Flur beschreibt allgemein bestimmte Landschaftsteile einer Gemeinde mit land- und forstwirtschaftlicher Nutzung (primär Äcker, in bestimmten Gemeinden auch Weingärten), oft mit unscharfem natürlichen Grenzverlauf.
Eine Ried(e) bezeichnet in einem Gemeindeteil (Flur) eine Gruppe benachbarter Grundstücke meist gleicher Kulturart mit historisch konkretem oder in der Neuzeit künstlich abgestecktem Grenzverlauf, die im Sinne des österreichischen Weingesetzes in Folge der Lage und Bodenbeschaffenheit die Hervorbringung gleichartiger und gleichwertiger Weine erwarten lassen.
Interessanterweise scheint der altangesehene, typische, einzigartige, österreichischer Begriff Riede immer mehr aus unserem Sprachgebrauch zu verschwinden, zugunsten der nicht heimischen Synonyme wie (Einzel-)Lage oder Terroir. Inwieweit diese Internationalisierungsangleichung erfolgreich ist, wenn das österreichische Marketing sehr stark auf Geschichte, Tradition, Authentizität, Regionalität, Typizität und Einzigartigkeit setzt, wird sich noch zeigen.
Während in der Landesgesetzgebung von Niederösterreich und Burgenland noch 1936 die Weinbaurieden jeder Gemeinde aufgelistet wurden, regeln heute die Länder im Wege der Verwaltungsbehörde nur mehr den Begriff Weingarten, mitunter auch noch die Abgrenzung der Weinbaufluren. Jedenfalls hat heute eine genaue Führung des Landes- bzw. Bezirksweinbaukatasters zu erfolgen.
Die Dokumentation über natürliche örtliche Abgrenzungen von Weinbaurieden reicht in einigen Gemeinden historisch weit zurück. Eine flächendeckende Landesaufnahme der Rieden bzw. Fluren erfolgte aber erstmals in der Donaumonarchie (zur Sicherung der Steuereinnahmen), und zwar in drei Erhebungsphasen:
► Maria-Theresianische Fassion (1748-1756) beschreibt die Lage der Flurstücke geordnet nach Grundherrschaften,
► Josephinische Fassion (1785-1789) ordnet die Grundstücke nach Katastralgemeinden mit genauer (JF-)Riedeinteilung,
► Franziszeische Kataster (1817-1861) erfasst die genaue Lage aller Grundstücke mit Ried via Vermessungskoordinaten und Messtischaufnahme.
Heute liegen die 53.200 historischen Kartenblätter (Urmappe) der dritten Fassion (FK) im Maßstab 1:50.000 (ÖK 50) dank des BEV auch in digitalisierter Form vor. Das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen (BEV) hat zudem auch das regional wichtige Ried-Namengut (aus der Zeit 1930-1971) in eine Riednamendatenbank überführt. Diese enthält 104.101 Riednamen, wovon rund 2/3 originäre Namen und 1/3 verschiedene Ausprägungswiederholungen sind. Durch fortschreitende Urbanisierung, geänderte Landbewirtschaftung, Zusammenlegung von Grundstücken und Rieden, Marketingtrends u.a. werden immer mehr Riednamen mit der Zeit ihrer Funktion und Bedeutung beraubt. Viele geraten im Sprachgebrauch in Vergessenheit. Der Schwund an Riednamen führt zu einem Verlust alter bäuerlicher Weinbautradition und damit zu einem Verlust an heimatverbundenem Kulturgut.